Siemens ein Konzern das korrupter als die Deutschen Politiker sind und das heist schon etwas! 1.g

Veröffentlicht auf von karl kreibich

"Objektiv mangelhaft"
Die Attacke des Siemens-Aufsichtsrats gegen elf Ex-Vorstände war gut vorbereitet: Berater des Kontrollgremiums haben eine lange Liste des Versagens zusammengestellt. Auch Ex-Chef Pierer kann kaum noch so tun, als hätte er von der allgegenwärtigen Korruption nie etwas gewusst.

Selten zuvor war der Aufsichtsrat des Siemens-Konzerns so hochkarätig besetzt wie zurzeit. Unter Führung des ThyssenKrupp-Topmanagers Gerhard Cromme tagen dort Industriegrößen wie Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann oder Allianz-Boss Michael Diekmann. Was sie zu tun oder zu lassen haben, sollten solche Männer selbst am besten wissen.

Trotzdem erhielten sie in den vergangenen Wochen viele Brandanrufe und unerbetene Ratschläge von Kollegen. Die Siemens-Aufseher sollten sich gut überlegen, ob sie Ex-Konzernvorstände für den Korruptionsskandal zur Verantwortung ziehen.

Die alte Siemens-Garde sei durch den Verlust ihrer Jobs und dem damit verbundenen sozialen Abstieg doch schon genug gestraft. Einige der Bittsteller schreckten sogar vor subtilen Drohungen nicht zurück. Sollten die Siemens-Kontrolleure selbst mal vor den Kadi gezerrt werden, wären schließlich auch sie auf das Wohlwollen alter Wegbegleiter angewiesen.

Dazu gesellte sich eine bunte Phalanx, die vom trüben Stammtisch über den "Bild"-Kolumnisten Franz Josef Wagner bis zum Schriftsteller Martin Walser reichte und die unisono jammerte: Lasst die verdienten Altvordern doch in Ruhe! Geschmiert wurde doch immer und überall. War doch alles im Interesse der Firma!

Die 20 Konzernaufseher, die am Dienstag vergangener Woche dann in der Firmenzentrale am Wittelsbacherplatz tagten, beeindruckte die Meinungsmache offenbar wenig. Einstimmig votierten sie dafür, insgesamt elf Alt-Vorstände für den Milliardenschaden durch dubiose Schmiergeldzahlungen haftbar zu machen, darunter auch Ex-Siemens-Chef Heinrich von Pierer und den von ihm einst als Nachfolger favorisierten Johannes Feldmayer.

In den vergangenen Tagen erhielten Pierer und seine Ex-Kollegen ein Schreiben des Aufsichtsrats, auf das sie bis Ende September reagieren können. Verweigern sie die Kooperation, droht ihnen als Nächstes eine Feststellungsklage. Die würde besiegeln, dass dem Konzern ein erheblicher finanzieller Schaden entstanden ist - und er zu Recht Ausgleich verlangt.

In einem dritten Schritt soll später die Höhe der Schadensersatzforderung beziffert und das Ausmaß des Versagens jedes einzelnen Ex-Vorstands gewürdigt werden. Einige von ihnen, wie Pierer, haben schon jetzt heftige Gegenwehr angekündigt.

Dabei sind die Schritte zumindest aus Sicht der neuen Führung unvermeidlich: Auf 1,9 Milliarden Euro wird mittlerweile der Schaden inklusive Steuernachzahlungen in der Siemens-Korruptionsaffäre beziffert. Die US-Börsenaufsicht SEC droht mit einer weiteren Milliardenstrafe. Auch die Aktionäre des Technologiekonzerns könnten fordern, dass jene bluten müssen, die dem Unternehmen das Image- und Finanzdesaster eingebrockt haben.

Und an der Verantwortung der Alt-Vorstände bestehen nach Ansicht der von Siemens beauftragten Wirtschaftsanwälte kaum noch Zweifel. Das geht aus den bisherigen Untersuchungen der renommierten Kanzlei Hengeler Mueller hervor, die ihnen Täter-, auf jeden Fall aber Mitwisserschaft bescheinigt.

Nach ihrer Analyse war das hauseigene Anti-Korruptionssystem unter dem früheren Konzernchef Pierer bereits seit 2001 "objektiv mangelhaft". Das war ausgerechnet die Zeit, als sich Pierer einerseits für den Börsengang an der Wall Street feiern ließ, andererseits das Unternehmen aber genau damit auch der scharfen Kontrolle der SEC auslieferte.

Die nun angegriffenen Ex-Zentralvorstände, stellen die Juristen nüchtern fest, hätten die im Unternehmen verborgenen Korruptionsrisiken massiv unterschätzt, Verstöße nicht ausreichend geahndet und die Einhaltung der vorgegebenen Regeln nur rudimentär kontrolliert.

Als besonders gravierend erachten die Juristen, dass sich ab Sommer 2003 die Verdachtsfälle gefährlich häuften, der Zentralvorstand als oberstes Führungsgremium des Konzerns aber trotzdem interne Vorschläge zur Verbesserung des Anti-Korruptionssystems verworfen haben soll.

Spätestens im Verlauf des Jahres 2004 hätten Pierer und seine Mannen demnach alarmiert sein müssen. Damals hat der Anti-Korruptionsbeauftragte Pierer und andere Vorstandsmitglieder über einen Bestechungsverdacht in Italien informiert. "Insbesondere die ... Existenz schwarzer Kassen bei Siemens" zeige, dass der Konzern "Schmiergeldzahlungen ... als mögliche Unternehmensstrategie ansah", hatte der Jurist einen Mailänder Richter zitiert.

Passiert ist danach erstaunlich wenig. Selbst die später eingeführte Verschärfung der Auflagen für Beraterverträge sei nur halbherzig gewesen, kritisieren die Hengeler-Mueller-Anwälte nun. Pierer und seine Ex-Kollegen bestreiten bis heute jegliches Fehlverhalten.

Die Siemens-Rechtsberater immerhin haben bereits konkrete Vorwürfe gegen einzelne Ex-Vorstände formuliert. Zittern müssen demnach neben Pierer vor allem sein ehemaliger Finanzchef Heinz-Joachim Neubürger und der früher für die Überwachung der Energie-Sparte zuständige Zentralvorstand Uriel Sharef.

Pierer soll bereits im Herbst 2001 über die Existenz von Treuhandkonten in der Schweiz informiert gewesen sein - und auch darüber, dass diese für Auslandszahlungen benutzt wurden. Der Manager hatte bereits am 18. Oktober 2001 vor dem CDU-Parteispenden-Untersuchungsausschuss eingeräumt: "Die Konten dienten dem Zweck der Zahlungsabwicklung von Provisionen für Aufträge im Auslandsgeschäft." Deutlicher geht es kaum.

Bislang wenig beleuchtet ist dagegen Pierers persönliche Verwicklung in Siemens-Zahlungen an einen arabischen Mittelsmann. Der Ex-Konzernchef soll es persönlich ermöglicht haben, dass dieser zwischen 2003 und 2006 rund 650 000 Euro erhielt. Angeblich, weil er Siemens bei einem problematischen Geschäft aus der Patsche geholfen haben soll.

Hintergrund ist das bis heute vielleicht spektakulärste Geschäft in der Siemens-Geschichte: der Bau des Kernkraftwerks im iranischen Buschehr. Das damals knapp acht Milliarden Mark teure Projekt, bei dem Provisionszahlungen in Höhe von über 400 Millionen Mark vereinbart worden waren (SPIEGEL 16/2008), hatte Mitte der siebziger Jahre der Schah persönlich vorangetrieben. Als die Ajatollahs die Macht übernahmen, gab Siemens die Pläne auf.

Der kaufmännische Leiter des Mammut-Unternehmens seinerzeit: Heinrich von Pierer. Und ausgerechnet seine Unterschrift soll nun im Zusammenhang mit den fragwürdigen Zahlungen an den arabischen Mittelsmann auf Dokumenten aufgetaucht sein. Insider fragen sich, weshalb die alte Siemens-Führung noch Mittel für ein Projekt auszahlte, mit dem man angeblich seit Jahrzehnten nichts mehr zu tun hat.

Der Ex-Siemens-Chefkontrolleur war vergangene Woche verreist und will sich zu den Vorwürfen gegenüber seinem alten Arbeitgeber erst äußern, wenn alle Unterlagen eingegangen sind und er sie mit Hilfe seiner Anwälte sorgfältig analysiert hat.

An anderer Stelle rügen die Siemens-Zivilanwälte indes, dass Pierer und Sharef dem damaligen Finanzchef der Kraftwerks-Sparte, Andreas K., Mitte 2004 eine Abfindung in Höhe von rund 1,7 Millionen Euro gewährten. Und das, obwohl beide damals bereits gewusst haben sollen, dass die Darmstädter Staatsanwaltschaft gegen K. wegen des Verdachts auf Schmiergeldzahlungen ermittelte. Sharef soll zudem als langjähriger Verantwortlicher für Südamerika Kenntnis von Konten gehabt haben, "über die in erheblichem Maße Bestechungsgelder abgewickelt wurden", wie es in einem internen Siemens-Papier heißt.

Vor allem aber soll er Ende 2003 Zahlungen an eine Schweizer Firma namens Mfast Consulting in Höhe von 4,7 Millionen Dollar autorisiert haben - angeblich ohne dass es dafür eine Rechtsgrundlage gab.

Hintergrund sind vermeintliche Schmiergeldzahlungen zwischen 50 und 100 Millionen Dollar für ein Großgeschäft mit Argentinien Ende der neunziger Jahre, bei dem bis zu 30 Millionen Dollar an Politiker in Buenos Aires geflossen sein sollen.

Zwar kam das Geschäft nicht zustande. Dennoch hatte Mfast 2002 mehrere Millionen von Siemens für das Projekt gefordert - und 4,7 Millionen Dollar auch erhalten, angeblich unter Mithilfe Sharefs.

Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt in diesem Zusammenhang wegen des Verdachts der Untreue gegen Sharef. Dessen Anwalt wollte sich auf Fragen des SPIEGEL zu den Vorwürfen nicht äußern.

Besonders gründlich nahmen sich die Juristen von Hengeler Mueller auch den ehemaligen Finanzchef Heinz-Joachim Neubürger vor. In einer vorläufigen Ausarbeitung kommen sie zu dem Schluss, der Ex-Banker sei bereits 2003 von der Rechtsabteilung informiert worden, dass in größerem Ausmaß Bargeldbeträge an nigerianische Berater überbracht wurden, die unter Korruptionsverdacht standen.

Obendrein sehen die Hengeler-Mueller- Anwälte auch den Verdacht erhärtet, dass der Ex-Finanzchef den damaligen fünfköpfigen Prüfungsausschuss womöglich falsch informiert hat. So soll er in der Sitzung am 26. Januar 2005 auf eine Frage von Aufsichtsrat Ackermann beteuert haben, die damaligen Kontrollen bei Siemens seien ausreichend - obwohl sie es offenkundig nicht waren. Bei einem der nächsten Treffen, Ende April 2005, soll er auf Nachfrage erklärt haben, es gebe "keine Hinweise auf schwarze Kassen bei Siemens". Dabei hatte der Anti-Korruptionsexperte Albrecht Schäfer den Zentralvorstand gut ein Jahr zuvor ausdrücklich auf die Zeitbombe hingewiesen.

Neubürgers Anwalt erklärte, er wolle sich nicht äußern, bis der Siemens-Aufsichtsrat ihm die in seinem "Anspruchschreiben" vom 29. Juli genannten Dokumente "zur Einsicht zur Verfügung" gestellt hat. Nach seiner Aktenlage allerdings seien die Vorwürfe "ganz unbegründet".

Zumindest Pierer treffen die Anschuldigungen offenbar hart. Vertraute berichten, er überlege, zumindest eines seiner verbliebenen Kontrollmandate vorzeitig niederzulegen: Überraschenderweise sitzt er noch immer ausgerechnet im Aufsichtsrat von ThyssenKrupp, den einer seiner schärfsten Kritiker anführt: Gerhard Cromme - zugleich Siemens-Aufsichtsratschef.

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