Schlammbaeder sollen gesund sein?!

Veröffentlicht auf von karl kreibich

Koalitionsstreit: Auf Mehltau folgt Schlamm

In Österreich zeichnen sich italienische Verhältnisse ab: Es ist egal, wer regiert

So schnell ändern sich die Zeiten: Schien bis Freitagmorgen noch die ÖVP in der Defensive und durch den Verdacht des Amtsmissbrauchs im Innenministerium politisch beschädigt, traf es um die Mittagszeit die SPÖ mit voller Wucht. Auch wenn die Vorwürfe, dass Gelder von der Bawag an die SPÖ und den ÖGB geflossen sein könnten, nicht neu waren.

 

Dass aber just im Keller des ehemaligen Bawag-Chefs Walter Flöttl Unterlagen gefunden wurden, die auf Geldflüsse von 72 Millionen Euro in den Achtzigerjahren hinweisen, ist merkwürdig. Zumal erst beim zweiten Mal nach einem anonymen Hinweis Unterlagen gefunden wurden – erstaunlich staubfrei.

Erstaunlich auch das Timing: Gerade befindet sich die Neuwahl-Diskussion auf einem Höhepunkt und der Bawag-Prozess in der Zielgeraden, da tauchen, Simsalabim, diese Papiere aus dem Dunkel des Flöttl-Kellers auf.

Auch wenn die Dokumente noch überprüft werden und die Unschuldsvermutung zu gelten hat: Allein die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen unbekannt wegen Untreue einleitet und es in diesem Fall konkret um den Verdacht der Parteienfinanzierung geht, beschädigt die SPÖ nachhaltig. In Schillingen ausgedrückt, ist das Ausmaß noch viel drastischer: über eine Milliarde.

Die Ausgangslage hat sich verschoben. Sollten die Vorwürfe zutreffen, ist die SPÖ ihren bisherigen Vorteil los. Denn beim Verdacht des Amtsmissbrauchs geht es um die Bawag-Skandal: um den Vorwurf, dass die ÖVP hoffte, Belastendes gegen die SPÖ zu finden. Dieser Fall könnte nun mit Verzögerung und auf andere Weise eingetreten sein.

Auch wenn es bei der Nationalratswahl vor dreizehn Monaten der ÖVP nichts nützte, diesmal wird sie voll auf das Thema Bawag setzen, sollte es zu Neuwahlen kommen. Und diese werden stattfinden, wenn sich die Umfragewerte deutlich zugunsten der Volkspartei bewegt haben sollten. Dann droht die schlimmste Schlammschlacht aller Zeiten: Die ÖVP würde „die Roten“ als finanzielle Absahner darstellen, die SPÖ „die Schwarzen“ als diejenigen vorführen, die Informationen vertuschen und sich andere wiederum hintenherum besorgen. Eine Kostprobe von „Wie du mir, so ich dir“ gab es am Freitag schon im Justizausschuss. Die Oppositionsparteien, allen voran die FPÖ, würden in Umfragen zulegen und damit das politische Klima weiter verschärfen.

Die Folgen sind absehbar: Politik wird nur noch als schmutziges Geschäft wahrgenommen, das Interesse daran wird noch weiter sinken – so das überhaupt noch möglich ist. Dass sich in einer market-Umfrage vergangene Woche überhaupt noch 62 Prozent der Österreicher zu einer Stimmabgabe bereiterklärt haben, ist erstaunlich. Es ist aber anzunehmen, dass ein Teil der Befragten nicht zugeben will, zu Hause zu bleiben, weil die Stimmabgabe zu den staatsbürgerlichen Pflichten gehört.

Da auch im Falle des Falles nicht mit einer raschen Festlegung auf einen Termin gerechnet werden kann, ist nicht vor Herbst von Neuwahlen zu rechnen. Außerdem steht noch die EURO und die Urlaubszeit an.

Schon seit Monaten überzieht der Stillstand das Land wie Mehltau. Darüber wird in den nächsten Monaten noch eine Schlammschicht entstehen. Und darunter erstarrt alles. Österreich orientiert sich damit ein Stück weniger an Deutschland und mehr an Italien. In der Bevölkerung wird der Eindruck verstärkt: Gleich, wer regiert, es bleibt immer dasselbe – und daher ist’s egal, wer regiert.

In seinem Buch Die Stadt der Sehenden hat José Samarago beschrieben, wie aus Politikverdrossenheit fast niemand zu einer Wahl hingeht. Die Wenigen, die kommen, füllen die Stimmzettel nicht aus. Und bei der Wahlwiederholung sind zwei Drittel aller Stimmzettel „leer und weiß“. Es ist kein Wunder, dass auch in Österreich politisch mündige Bürger ein solches Wahlverhalten überlegen. Das ist eine gefährliche Entwicklung in einer Demokratie.Was man so in Keller finden kann - wen man was sucht!

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